Diplomatie und Entspannungspolitik oder Weltkrieg
Das Ende des Krieges in der Ukraine rückt in immer weitere Ferne. Wenn unsere Antwort auf Putins Aggression ebenfalls militärische Gewalt ist, dann ist es nicht schwer einzuschätzen, wie unwahrscheinlich ein zeitnaher Frieden ist.
Ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass alle beteiligten Akteure ihren Anteil an der derzeitigen Situation haben. Eine Situation, in der mittlerweile keine Entscheidung mehr richtig erscheint.
Eskalation von allen Seiten
Zugegeben: Angemessen und zielführend auf den Angriff einer Nuklearmacht wie Russland zu reagieren ist wahrlich nicht einfach. Sich öffentlich für Lieferungen schwerer Waffen auszusprechen, wie es Außenministerin Baerbock getan hat, könnte aber wohl eher als kontraproduktiv angesehen werden. Waffenlieferungen dienen als Brandbeschleuniger und führen aller Voraussicht nach nicht dazu, dass Leid verringert wird. Wir werden mehr Tote zählen, eine länger andauernde Auseinandersetzung haben und womöglich das Kriegsfeld auch flächenmäßig vergrößern. Auch die Kriegsrhetorik einiger NATO-Staaten wird kaum eine deeskalierende Wirkung haben.
Hätte viel Elend vermieden werden können, wenn der ukrainische Präsident Selenskyj direkt kapituliert hätte? Eine naive und schwere Frage, gestellt aus einer privilegierten und friedlichen Position heraus. Aber wie ich finde, muss diese Frage erlaubt sein, ohne eine allgemeingültige Antwort zu erwarten oder zu fordern.
Wer kann ganz sicher sagen, dass wir heute keine bessere Situation hätten, wenn es keine ukrainische Gegenwehr gegeben hätte? Besser bedeutet in dem Fall nicht automatisch gut, das gilt es hier noch zu betonen. Hätten die Russen ukrainische Städte zerbombt, wenn es keine Gegenwehr gegeben hätte? Hätten weite Teile der Bevölkerung das Land verlassen, wenn man dem Kampf aus dem Weg gegangen wäre?
Vollstes Vertrauen trotz der Fehler der Vergangenheit?
Die Gefahr scheint groß zu sein, dass die deutsche Bevölkerung die Entscheidung, sich mit Waffenlieferungen in den Krieg einzumischen, mitträgt. Ist dieses Vertrauen in die Entscheider gerechtfertigt? Erinnern wir uns an Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien. Haben die westlichen Entscheidungen die Situationen in diesen Ländern verbessert? Wollen wir den Leuten vertrauen, die 20 Jahre angebliche Entspannungspolitik gemacht haben und daraus final einen Weltkrieg entstehen lassen? Die Leute, die Putin selbst komplett falsch eingeschätzt haben und ebenso die Auswirkungen ihrer eigenen Politik? Wollen wir den Leuten vertrauen, die schwere Waffen liefern wollen und gleichzeitig der Meinung sind, man wäre deswegen keine Kriegspartei? Was für eine abenteuerliche Sicht der Dinge.
Was ist unser Ziel?
Was wollen wir erreichen? Russland besiegen? Putin besiegen? Muss Putin weg? Kommt ein Sieg nur militärisch zustande? Oder wie sieht so ein Sieg unserer Auffassung nach aus? Was ist nach dem Krieg? Frieden für alle, außer Russland?
Wir scheinen kollektiv zu vergessen, dass Russland Teil unserer Welt ist, im Zweifel auch mit Putin. Doch gibt es für uns diese Option überhaupt noch? Frieden mit einem von Putin geführten Russland?
Dem russischen Staatsoberhaupt wird regelmäßig fehlender gesunder Menschenverstand diagnostiziert. Dazu kommt der Status einer Atommacht. Wie wollen wir gegen eine von einem unberechenbaren Diktator geführte Atommacht gewinnen, wenn wir Diplomatie ausschließen und nur noch militärisch reagieren? Denken wir ernsthaft, dass sich Putin irgendwann einfach geschlagen gibt und nicht vorher alles abfeuert was er hat?
Nicht erst seit Corona wissen wir, man darf mit gewissen Leuten nicht reden. Bleiben wir auch in diesem Fall bei dieser fragwürdigen Verhaltensweise, schließt das demzufolge eine diplomatische Lösung aus und das ist eine Katastrophe. Oder gibt es noch andere Optionen?
Erich Vad, von 2006 bis 2013 militärpolitischer Berater der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen“. Auch Waffenlieferungen sieht er sehr kritisch und erkennt in ihnen ein Potenzial für einen Dritten Weltkrieg.
Es handelt sich in diesem Konflikt um ein geostrategisches Spiel zwischen Washington und Moskau und dieses Spiel darf auf keinen Fall noch weiter ausarten. Nur echte Entspannungspolitik, Dialogbereitschaft und eine ehrliche Fehleranalyse ebnen den Weg für den Frieden.
All die Politiker und Experten, die sich für die Lieferung von Waffen und damit den Kriegsbeitritt von Deutschland aussprechen, dürfen sich gern verpflichtet fühlen ganz vorn an der Front zu kämpfen!
27. April 2022
Politik