Reaktionen und Gegenreaktionen

Diesen Beitrag möchte ich mit dem Hinweis einleiten, dass die folgenden Ausführungen nicht dazu dienen, für eine bestimmte Seite Partei zu ergreifen. Jede Form von gewalttätiger Konfrontation wird scharf verurteilt!

Wie lange dauert es, bis man die eigene Strategie in Zweifel zieht? Die Versuche, in Afghanistan, im Irak und in Libyen militärisch für Ordnung zu sorgen, sind gnadenlos gescheitert. Nüchtern betrachtet, ist es nicht abwegig zu behaupten, dass man die genannten Länder in ein noch größeres Chaos gestürzt, sogenannte „Failed States“ hinterlassen hat. Seit nunmehr über zwei Jahren, versucht die westliche Wertegemeinschaft der Ukraine zum Sieg über Russland zu verhelfen. Ohne erkennbare Schritte in Richtung Ziel. Die Erfolgsbilanz der letzten Jahre ist – vorsichtig ausgedrückt – katastrophal! Die Serie an Misserfolgen soll scheinbar auch im Jahr 2024 ausgebaut werden. Wie sonst ist zu erklären, dass wir unverändert immun gegen Selbstkritik sind, neue Überlegungen kategorisch ausschließen und damit – wenig überraschend – immer wiederkehrende Desaster verursachen. Egal ob 2001 in Afghanistan oder 2024 im Nahostkonflikt: Wir legen die Saat für das, was wir eigentlich bekämpfen.

Vergeltung statt Lösung

Wer uns Schaden zufügt oder zufügen will, dem werden wir Schaden zufügen, verlautbarte Israels Ministerpräsident Netanjahu nach dem iranischen Angriff. Ist das die Sprache und Einstellung, die zu Frieden führt? Die emotionale Reaktion und der Wunsch nach Rache ist rein menschlich absolut nachvollziehbar. Sollten sich Politiker aber nicht dadurch auszeichnen, nüchtern und frei von derartigen Emotionen Entscheidungen treffen zu können? Das einzige Ziel ist: Stärke zeigen! Kein Wort von Frieden, keine Konfliktlösungsstrategien, ausschließlich kriegerische Botschaften. Warum nicht mal eine offizielle Rede an die Welt, die nur dem Frieden dienliche Äußerungen beinhaltet, ohne versteckte Botschaften, die Kampfbereitschaft signalisieren?

Der zu verurteilende Angriff der Hamas, am 7. Oktober 2023, ist eine Reaktion auf die Vergangenheit. Israels zu verurteilendes Vorgehen im Gazastreifen, ist eine Reaktion auf die Vergangenheit. Der zu verurteilende iranische Angriff auf Israel, ist eine Reaktion auf die Vergangenheit. „Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien und will damit verhindern, dass der Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten . So geschehen Anfang April 2024, bei dem mutmaßlich israelischen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus. Die Reaktion des iranischen Außenministers Hossein Amir-Abdollahian, der von einer „entschlossenen Antwort“ sprach und die der Hisbollah-Miliz im Libanon, die „Strafe und Rache“ ankündigte, deuten beide nicht darauf hin, dass die Gewaltspirale gestoppt wird. Natürlich ist die Frage nach einer angemessenen Reaktion nicht einfach zu beantworten.
Der Iran wird seit Jahrzehnten sanktioniert, nachweislich ohne positive Wirkung auf die Sicherheit in der Region. Wozu also weitere Sanktionen, die wieder nur ins Leere führen und maximal der Zivilbevölkerung schaden? Wozu von „überlegten Reaktionen“ sprechen, wenn die Antwort nicht ohne Bomben auskommt? Der Versuch, mit militärischen Mitteln nachhaltig Sicherheit herzustellen, ist in den letzten 20 Jahren nachweislich immer gescheitert und hat sich am Ende lediglich als Wurzel des Terrorismus von morgen herausgestellt. Das Problem sind nicht zu wenig Militärausgaben, zu wenig Waffen oder zu wenig Stärke, sondern die fehlenden geistreichen Alternativen zu der erfolglosen und tödlichen Vorgehensweise. Das ist schwach.

Realitätsverlust

Der Luftangriff auf israelisches Staatsgebiet, den Iran heute Nacht begonnen hat, ist unverantwortlich und durch nichts zu rechtfertigen. Iran riskiert einen Flächenbrand. Wir stehen eng an der Seite Israels und werden jetzt mit unseren Verbündeten alles Weitere besprechen, so Bundeskanzler Scholz auf ehemals Twitter. Dem ersten Satz kann man noch uneingeschränkt zustimmen, danach wird es jedoch schwierig. Riskiert nur der Iran allein einen Flächenbrand? Was ist mit Israels Antwort? Beruhigt diese den Konflikt? War die Vorgeschichte von Entspannung geprägt? Ein Blick in die Vergangenheit könnte Auskunft geben. Eine ähnlich spezielle Sichtweise präsentierte Frau Strack-Zimmermann: „Die Berichte über Angriffswelle des Iran auf Israel schockieren mich. Erneut zeigt sich in dramatischer Weise das Scheitern naiver Appeasement-Politik, die nun das Mullahregime nutzt. Deutschland & EU müssen alles ihnen Mögliche tun, um Israel bei der Abwehr zur Seite zu stehen . Die Expertin für martialische Reden schafft es, in einem Satz auf zwei verschiedenen Ebenen vollumfängliche Unwissenheit unter Beweis zu stellen. Wer Appeasement-Politik so abwertend kommentiert, kann keine friedlichen Absichten haben. Wer dann auch tatsächlich der Meinung ist, der Begriff Appeasement-Politik sei angebracht, obwohl man einzig mit Sanktionen und Drohungen kommuniziert, der kann intellektuell nicht sehr anspruchsvoll sein.

In unserer westlichen Hemisphäre beginnt die Vorgeschichte eines Konfliktes immer mit der Gräueltat der Bösen. Unsere Reaktionen sind unentwegt absolut richtig und in der Verhältnismäßigkeit perfekt abgestimmt. Wenn dann unsere Feinde eine Gegenreaktion auf unsere Reaktion bringen, dann ist das einzig mit der stark ausgeprägten Bösartigkeit und Streitlust zu erklären. Wie oben beschrieben, beginnt mit der Gegenreaktion der Bösen wieder eine neue Vorgeschichte, was diese Gegenreaktion dann zu einem unbegründeten und arglistigen ersten Schritt macht. Logisch, oder?

Wenn wir, die westliche Wertegemeinschaft und natürlich unsere Verbündeten, doch immer moralisch so überlegen und gut sind, wieso sind wir dann nicht in der Verfassung, auf die Aggression der Bösen so zu reagieren, dass nicht weiteres Öl ins Feuer gegossen wird? Sind wir in Wahrheit vielleicht kein Stück besser als die, die wir dämonisieren?

 

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https://www.tagesschau.de/ausland/asien/angriff-botschaft-iran-israel-100.html
https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1779301059682258999
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26. April 2024 Politik