Über Sinn und Unsinn von „rechts“

Gastbeitrag von Paula Hess-Leute (Aktion Avantgarde)

Grundsätzlich lehne ich politische Einordnungen, die auf dem von größter Beschränktheit zeugenden Links-Rechts-Schema beruhen, ab und kann mich auf dieser eindimensionalen und einfältigen politischen Achse nicht wirklich positionieren. Bedauerlicherweise ist das besagte Schema gesellschaftlich aber noch lange nicht überwunden, und ich muss mich zwangsläufig mit den Begrifflichkeiten dieser öden Links-Rechts-Einordnung auseinandersetzen. Insbesondere dann, wenn bloße Begriffe dazu verwendet werden, um Menschen gesellschaftlich zu diskreditieren und sie gar zu personae non gratae zu erklären. Ich spreche von dem mittlerweile als Brandmarkung verwendeten Begriff „rechts“.

Dabei ist „rechts“ doch lediglich das Gegenteil von „links“ oder? Das könnte man zumindest meinen, doch es wurde schon längst zugunsten von „links“ umdefiniert.

Wir müssen einen Blick auf die Herkunft werfen, um uns an der ursprünglichen Definition zu orientieren – als „rechts“ noch keine Keule, bzw. noch kein inhaltsloses Totschlagargument war.

Rechts-an-die-Wurzel-gehend!

Zum ersten Mal gesichtet wurde die politische Einteilung in links und rechts in der französischen Nationalversammlung, Ende des 18. Jahrhunderts: Links saßen die progressiven, revolutionären Republikaner, rechts die konservativen Sympathisanten der Monarchie.

Und wenn man sich nun ein kleines Wortspiel mit dem Begriff „rechtsradikal“ erlaubt und „radikal“ dabei als an die Wurzel gehend versteht, könnte „rechtsradikal“ durchaus rechts im ursprünglichen, monarchistischen Sinne bedeuten. Leider sieht die heutige Realität ein wenig anders aus: Als rechtsradikal gelten laut Verfassungsschutz u.a. jene, welche den Nationalsozialismus verherrlichen und sich möglicher- und unverständlicherweise sogar eine zweite NS-Zeit wünschen. Ideologisch Verblendete also. Verkehrte Welt! Seit wann ist der Sozialismus rechts?

Egal! Bald sind wir eh alle rechts!

Heutzutage wird jedenfalls sehr inflationär und schon beinahe willkürlich mit dem Begriff „rechts“ um sich geworfen. Rechtsradikal, rechtsextrem, rechtsoffen etc. pp werden dabei als Synonyme für eine Bezeichnung verwendet: Eine Differenzierung findet nicht statt, die Begriffe werden wild durcheinander geworfen. Wer rechts ist, ist automatisch rechtsextrem. Und siehe da, wie schnell das geht!

Wenn man sich anschaut, wer alles als rechts bezeichnet wird, kann man nur den Kopf schütteln: Gänzlich unpolitische Personen, die ausnahmsweise von der gesellschaftlich und medial etablierten Meinung abweichen, Frauen, die sich dazu entscheiden (!), die traditionelle Rolle anzunehmen, Patrioten, Klimaskeptiker, Menschen, die an offiziellen Narrativen zweifeln und sogar jene Querulanten, welche das Schwarz/Weiß-Denken, bzw. das Links/Rechts-Denken ablehnen und somit nicht explizit „links“ sind. Wenn man die gesamte Opposition als rechts oder rechtsinstrumentalisiert abstempelt, braucht man sich nicht zu wundern, dass manch ein kritisches Auge die BRD in eine linke, geradezu sozialistische Richtung abdriften sieht.

Wer hat Angst vor dem rechten Mann?

Die Beobachtungen, die ich vor allem in den letzten Monaten gemacht habe, sprechen dafür, dass Menschen vor dem Begriff „rechts“ sehr große Angst, doch keine Ahnung haben. Nach unseren heutigen Definitionen bedeutet „rechts“ schließlich nicht mehr konservativ, patriotisch oder monarchistisch, sondern übertriebenermaßen schlichtweg „böse“. Es ist so einfach, wie es sich anhört: Keiner will böse sein. Die Rechtskeule ist unter anderem eben deswegen so wirksam. Sie eignet sich dazu, um Menschen aus Diskussionen auszuschließen, sie gesellschaftlich zu degradieren oder jedenfalls in Verruf zu bringen, ohne sich weiter mit ihnen beschäftigen zu müssen. Die Denkfaulheit des geistigen Bodensatzes lässt grüßen! Kein Wunder, dass man sich davor fürchtet, als rechts bezeichnet zu werden. Hinterfragt wird das rasch gefällte Urteil von den Wenigsten.

Als ich meinem rechts konservativen (also per definitionem rechten) Vater erzählt habe, dass ich letztens auf einem Verbindungshaus war, fragte er mich sofort: „Was? Burschenschaften? Die sind doch alle rechts!“ Wowereit-mäßig antwortete ich „Das ist auch gut so!“, weil ich „rechts“ für mich als Opposition gegen den merkwürdigen, linksversifften und von Schuldkomplexen geplagten Zeitgeist definiere.

„Rechts“ wieder salonfähig machen?

Obwohl ich – wie oben bereits erwähnt – gegen das spaltende Links-Rechts-Schema bin und bei jeder zu treffenden Entscheidung vielmehr an den Verstand und die Vernunft der Leute (ratio statt emotio) appelliere, wünsche ich mir, die definitionsgemäßen Rechten würden mehr Haltung zeigen und aufhören, sich pro forma ständig der Agenda anzupassen und andere systemkonforme Bezeichnungen anzunehmen, um nicht in Ungnade zu fallen. Stattdessen distanzieren sie sich aber ständig von „rechts“ und schießen sich damit ins eigene Bein, da „rechts“ im Grunde ihr heimisches Lager ist. Damit überlassen sie den Begriff „rechts“ irgendwelchen verblendeten Ideologen, die allein für stumpfe Parolen und – salopp gesagt – wenig Hirnmasse bekannt sind. „Rechts“ muss wieder ins rechte Licht gerückt werden. Es muss wieder als das Gegenteil von „links“ gelten. Rechts muss wieder für Konservatismus stehen und nicht für wutbürgerliche Zwecke und Bedürfnisse á la „Ausländer raus“ missbraucht werden.

Einen Versuch der Rehabilitierung gab es bereits – und zwar mit dem Aufkommen der Bezeichnung „neurechts“. Die neue Wortkreation hat aber lediglich dazu geführt, dass man als Neurechter als Wolf im Schafspelz angesehen wird. Man hätte das bereits bestehende Wort für sich adaptieren müssen, um es mit konservativen und patriotischen Werten zu füllen.

Individualismus statt Kollektivismus

Aber braucht man diese Begriffe wie links und rechts überhaupt?

Meiner Meinung nach sind sie nicht erfüllend. Wenn man sich alleine über sie definiert, führen sie zur Spaltung, zur Entstehung von politisch verfeindeten Lagern und münden im Schubladendenken.

Wer sich selbst aber gerne ein Label verpassen möchte, dem steht natürlich nichts im Weg. Er kann sich politisch durch einen einzigen Begriff kategorisieren, um sich einem politischen Kollektiv zugehörig zu fühlen. Er muss sich aber vor Augen führen, dass er im Kollektiv niemals seinen eigenen Ideen folgt, sondern stets einer Ideologie. Und wer einer Ideologie folgt, ist für einen offenen Diskurs nicht zu haben. Das können wir heute ganz gut beobachten: Die Fronten verhärten sich, die „Mitte“ schweigt. Das Links-Rechts-Schema ist zwar noch nicht überwunden, aber schon längst überholt. Mit ihm lassen sich heutzutage weder Probleme lösen, noch Entscheidungen treffen. Die Gesellschaft braucht es nicht mehr: Die indoktrinierte Masse ist sowieso politisch lethargisch und diejenigen, die sich von Ideologien jeglichen Couleurs abwenden, werden sich auf dieser eindimensionalen Links-Rechts-Achse sowieso nicht verorten können.

Was nun, kleiner Mann?

Sowie die Grenze zwischen Gut und Böse in jedem Menschen verläuft, so verläuft auch die Grenze zwischen Links und Rechts in jedem (ideologiefreien) Menschen. Wenn man sich eine Meinung bildet, kann man nicht umhin, sich mit verschiedenen politischen Standpunkten auseinanderzusetzen. Ideologiefrei zu denken heißt schließlich, mal zu beiden Seiten zu neigen, zu schwanken, mal stärker nach links, mal stärker nach rechts zu neigen. Es heißt nicht, dass man prinzipienlos ist, denn Werte können in den ganzen Bewegungsabläufen durchaus Konstanten sein, an denen man sich orientiert. So will ich nicht, dass man „links“ und „rechts“ gänzlich verwirft, sondern, dass man – so lange wir an diesem Schema festhalten – aufhört, von Menschen zu verlangen, sie mögen sich nun endlich auf dieser Asche positionieren. Nein, das wäre mir zu kurz gedacht!

14. Oktober 2020 Gastbeiträge