Wir müssen wieder Mut haben, anzuzweifeln!
Gastbeitrag von Judith Hauße
Es ist kein Geheimnis, dass das Vertrauen der Menschen in die Medien über die Jahre hinweg stark abgebaut hat. Dabei hat die Branche, derer auch ich angehöre, die Arbeit der vier großen Säulen unserer Demokratie inne. Eine Verantwortung, der wir uns als Journalisten täglich bewusst sein sollten. Eine Verantwortung, die wir allesamt gemeinsam tragen müssten. Stattdessen scheinen die Gemüter gespalten. Der Mut, anzuzweifeln und zu hinterfragen, hat inzwischen Seltenheitsstatus erlangt. Dass das den Lesern um uns herum missfällt und an unserer Arbeit zweifeln lässt, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Doch was muss ein Bundeskanzler wie Olaf Scholz (SPD) beim Besuch in Chemnitz gedacht haben, als kaum einer der Journalisten ihn auch nur im Entferntesten mit Fragen zu den echten Problemen hier im Osten konfrontiert hat. Die Vermutung liegt nahe, dass ihm diese Scham der Medien ganz recht gewesen sein muss. Böse Zungen würden meinen, er sei noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Denn bevor es ungemütlich werden konnte, ging es für ihn auch schon gen Heimat. Was aber sagt so eine Situation über den aktuellen Journalismus aus? Während sich die einen dem Mainstream hingeben, andere wiederum der Superlative des Clickbaiting hinterherhecheln, bleibt noch ein geringer Anteil derer, die mit einem kritischen und konstruktiven Auge beobachten. Und genau da müssen wir als Medienschaffende wieder hin. Das Homeoffice eines Journalisten sollte wieder auf der Straße sein, bei den Menschen. Da, wo sich das wirkliche Leben abspielt. Da, wo aktuell überall im Land Unzufriedenheit herrscht. Unzufriedenheit über eine Bundesregierung, die sich in einem ideologischen Netz verfangen hat. Jene, die sich gegenseitig die Schuld zuweist anstatt miteinander im Kampf gegen die mehr als umstrittene Alternative für Deutschland zu agieren. Das Erstarken ihres größten Feindes ist das Resultat dessen, was sie nicht machen, und das ist für das Volk zu regieren, geschweige denn auf dessen Kritik zu reagieren. Wenn aber Medien, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, zu zaghaft kritisieren, oder schlimmer noch, dem Umerziehungskurs der Ampel-Regierung folgen, gibt es für die Politik keinen Grund zur Resignation. Die GEZ-Abgabe von 18,36 Euro im Monat eines jeden Arbeitnehmers für qualitativen möglichst objektiven Journalismus wird mit einer staatsnahen und belehrenden Agenda abgestraft. Doch statt nachzuhaken, warum immer weniger Deutsche diese vermeintliche „Demokratie-Abgabe“ zahlen wollen oder sich anderen Informationsquellen zuwenden, werden jene Bürger, die sich kritisch äußern, schlimmstenfalls als Klimaleugner und braune Tümpel abgetan. Der Osten Deutschlands ist in derartigen verbalen Attacken ein zu gern gewählter Sündenbock. „Zahlreiche Ostdeutsche fühlen sich politisch machtlos“ – titelte etwa die Freie Presse nach Veröffentlichung der Studie „Autoritäre Dynamiken und die Unzufriedenheit mit der Demokratie“ des in Leipzig ansässigen und zur Uni Leipzig gehörenden Else-Frenkel-Brunswik-Instituts. Hat nicht aber die Wahl eines AfD-Landrates im thüringischen Sonneberg mit einer Wahl-Beteiligung von 60 Prozent gezeigt, dass Demokratie in diesem Land doch noch einen Stellenwert hat. Für viele Medien scheinbar eine Nebensache. Denn statt diesem, wenn auch kleinen Erfolg der Demokratie und mag jeder von der AfD halten, was er wolle – mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist der mediale Aufschrei über den „bösen“ Osten groß.
Ich bin Regionaljournalistin in Sachsen. Ich kenne die Ängste und Sorgen vieler Menschen hierzulande. Wir Journalisten haben auch nicht die Lösung, aber wir können die Stimme der Mehrheit sein. Selbst wenn das bedeutet, auch mal unbequeme Themen anzugehen. Wir sind es unseren Lesern und Zuschauern schuldig, den Menschen wieder eine Plattform für gesunde Debatten zu bieten.
6. August 2023
Gastbeiträge